Ein Wal springt aus dem Meer, hier vor der Halbinsel Valdés in Argentinien. Neugierige mögen sich fragen, warum Wale überhaupt springen. Die Wissenschaft hat hierauf bisher keine klare Antwort gefunden. Ich verstehe Wissenschaft als Aufgabe, solche Beobachtungen zu erklären. Dabei ist es nicht ausreichend, nur Neues zu entdecken, vielmehr müssen die Erkenntnisse auch relevant für die Gesellschaft und ihr im Guten dienlich sein. Für diese Aufgabe bekommt die Wissenschaft Unterstützung durch die Gesellschaft. Umgesetzt wird die Arbeit von Wissenschaftlern. Das erarbeitete Wissen geben diese dann an die Gesellschaft, was auch wissenschaftliche Kollegen sein mögen, weiter. Um das Unbekannte zu erforschen, benötigen Wissenschaftler Freiheit. Aus meiner Sicht fällt diese notwendige Freiheit zunehmend einer Überkontrolle der Ressourcenverteilung zum Opfer.
DAS GENAUE MAẞ IST NICHT NOTWENDIGERWEISE DAS BESTE MAẞ. Wissenschaft selbst ist schwer zu messen. Es gibt jedoch Teilaspekte, die klarer zu bestimmen sind, so zum Beispiel Drittmittelsummen oder Zitationszahlen. Diese sind jedoch nur näherungsweise Abbildungen von guter Wissenschaft und Wissenstransfer in die Gesellschaft. Eine exakte Korrelation kann hier nie erreicht werden, da eine Kennzahl Dinge vergleichbar macht, die bei genauer Betrachtung nicht identisch sind: Aus Äpfeln und Birnen wird Obst. Oder anders betrachtet: Durch den Vergleich wird das Individuelle und Besondere ignoriert.
DIE REGELN SIND SELBSTREFERENZIELL. Ein weiteres Problem tritt bei einer für die Beteiligten bekannten und relevanten Art, Wissenschaft zu messen, auf: Die Objektivität und die Neutralität sind nicht mehr gewährleistet. Der Einzelne beginnt sein Handeln nach der Messgröße auszurichten und nicht nach der ursprünglichen und zugegebenermaßen schwierigen Frage, was gute Wissenschaft bedeutet. Wird nach einiger Zeit dann Wissenschaft von den Wissenschaftlern betrieben, die die höchsten Drittmittelsummen und h-Faktoren haben, werden diese am Ende wiederum bestimmen, was erfolgreiche Wissenschaft bedeutet. Ob dies die beste Wissenschaft für die Gesellschaft ist, ist nicht gewährleistet.
WISSENSCHAFT BRAUCHT FREIHEIT ZUM DENKEN. Ich betrachte den Freiraum zum Nachdenken als absolut essenziell, besonders in der Grundlagenforschung. Dieser Freiraum muss sich heute gegen harte Zahlen wie Drittmittel-, Stiftungs- und Patentgelder behaupten und hat es da sehr schwer. Ein genaues Argument setzt sich schnell gegen ein vages durch, weil ihm wenig entgegenzusetzen ist. Bei der derzeitigen fehlenden Innovationskraft der kleinen und mittelständischen Unternehmen mag die Wissenschaft helfen können; jedoch braucht dann zumindest die Wissenschaft den Freiraum, um selber innovativ zu sein. Die Lösung kann nicht sein, dass die Produktentwicklung von der Wissenschaft komplett übernommen wird. Es besorgt mich, dass Lehrstühle Dimensionen von mittleren Unternehmen annehmen und die Mitarbeiter nicht frei und offen über ihre Arbeit mit Kollegen diskutieren dürfen. Auch gibt mir zu denken, dass in Zielvereinbarungen von neu eingestellten Professoren mit der Universität Drittmittelsummen als Zielgrößen auftauchen, welche die jungen Professoren unter Druck setzen.
Wissenschaftler müssen gute Wissenschaft machen – und nicht gute Lebensläufe
Nun stellt sich die schwierige Frage, wie gute Wissenschaft sich von schlechter unterscheidet. Und wie die gute Wissenschaft sichtbar gefördert und durchgeführt wird. Ich persönlich meine, dass es mehr konstruktive Zusammenarbeit unter den Wissenschaftlern braucht und eine bessere Anbindung an die Gesellschaft. Ich bedaure, dass häufig Wissenschaftler mehr nach dem Gewinn für ihren eigenen Karriereweg schauen als nach dem Gewinn für die Wissenschaft und Gesellschaft. Es reicht eben nicht, dass ich in einer angesehenen Zeitschrift meine Arbeit mit meinem Namen publiziere oder einen Doktortitel führen darf. Am Ende ist es entscheidend, dass ich mein erarbeitetes relevantes und gutes Wissen an die Bevölkerung und die Wirtschaft weitergebe.
WIR BRAUCHEN MEHR GUTE WISSENSCHAFT FÜR DIE GESELLSCHAFT. Zusammenfassend wünsche ich mir mehr Nachdenken und Handeln hinsichtlich der schwierigen Frage: Was ist gute Wissenschaft für die Gesellschaft? Hieraus ergibt sich auch die Frage nach der geeigneten Wirtschaftsform. Aus meiner Sicht braucht es in der heutigen Zeit eine Form, die sich an der Sozialwirtschaft anlehnt. Eine weitere Industrialisierung der Wissenschaft wird ihr schaden. Am Ende besteht die Aufgabe der Wissenschaft darin, neues Wissen zu schaffen. Somit kann kein Produkt im Voraus vertraglich vereinbart werden. Ausgestattet mit Sicherheit und Freiheit, das Unbekannte zu entdecken, hoffe ich wieder mehr Wissenschaftler zu sehen, die aus Freude über ihre Entdeckung in die Luft springen. Heureka!