Kampf der Medien um den Gewinn

Krähen segeln im Sonnenuntergang an den Twin Peaks in San Francisco im Wind, im Jahr 2008. Dies beschreibt zwar obiges Bild, ist aber weder relevant, noch aktuell und somit keine Nachricht. Für Nachrichten waren für lange Zeit in Deutschland die klassischen Medienhäuser zuständig. An ein hoch profitables Geschäft gewöhnt, müssen sie heute allerdings mit mehr Konkurrenz leben. Schrumpfen ist nicht leicht. Doch haben die Medien auch durchaus Möglichkeiten, ihre Interessen durchzusetzen. So erhalten beispielsweise Zeitungszusteller derzeit einen geringeren Mindestlohn. Um Einnahmen zu generieren, bauen Medienunternehmen die digitalen Angebote aus und versuchen auf verschiedenen Wegen, die Leserschaft zum Bezahlen im Internet zu animieren. Eine wichtige Größe sind da viele Klicks auf der eigenen Seite, da diese mit den Einnahmen korrelieren. Durch die digitale Technik bleiben die Ausgaben für einen Beitrag nahezu unabhängig von der Auflagenstärke. Hiermit verfolgen alle das gleiche Ziel und kämpfen gegeneinander auf der gleichen Skala, der Suche nach den höchsten Klickzahlen. Doch nicht nur die klassischen Medien nehmen hieran teil, auch soziale Netzwerke sind Teil des Wettbewerbs geworden. Vorteile hat hier der, der möglichst zuverlässig Nutzerinteressen abschätzen kann. Es ist keine Überraschung, dass in dieser Situation der Axel-Springer-Konzern in Suchmaschinen investiert und spiegel.de sich bild.de angleicht. Die Automatisierung des Gewinns wird erleichtert durch die Verwendung von großen Datenmengen über das Nutzerverhalten. Diese Daten produziert der Konsument durch emotionales, schnelles, stereotypisierendes und unbewusstes Denken. Dieser Art des Denkens steht die logische, langsame, rationale und bewusste Form gegenüber, wie Kahneman es in seinem Buch „Schnelles Denken, langsames Denken” treffend beschreibt. Während sich das schnelle Denken recht gut anhand von großen Datenmengen vorhersagen lässt, ist das langsame Denken in seinem Ergebnis abstrakt, unerwartet und nicht ohne Weiteres programmierbar, erfordert aber Anstrengung und Zeit.

DER SCHNELLSTE GIBT DEN TON AN. Durch die Verbreitung von Informationen von Einzelpersonen über soziale Netzwerke sind nicht notwendigerweise die dazugehörigen Fakten kontrolliert oder verifiziert. Hiermit ist eine sehr schnelle Erstellung von Inhalten möglich. Ein verantwortungsvoller Umgang wird trotz der hohen Suggestivkraft und Breitenwirkung, die für den Rundfunk in Deutschland zur Pflicht der ausgewogenen Berichterstattung geführt hat, nicht gewährleistet. Die Gefahr von negativen Einflüssen auf die Bevölkerung ist heute recht hoch, da Teile sich in sozialen Echoräumen bewegen, das heißt keine klassischen Medien zur Meinungsbildung nutzen. Statt eines verantwortungsvollen Informierens werden die schnellen, extremen und kontroversen Meinungen bevorzugt, um möglichst viele Klicks zu erreichen, die letztendlich mit dem monetären Gewinn korrelieren. Dies führt zu einer Verrohung und zu einem Verlust an Vielfalt.

SCHNELLIGKEIT UM JEDEN PREIS. Klassische Medien versuchen durch exklusives Material und Vorberichterstattung, dem etwas entgegenzusetzen. Dies birgt die Gefahr der einseitigen Meinung und die Verwendung von fragwürdigen Methoden. Das Vorberichten mit einer Vorricht, abgeleitet von einer Nachricht, kann dagegen schnell zur Inhaltsleere oder Vorverurteilung führen und kommt der originären Aufgabe der Nachricht, dem nachträglichen Berichten, nicht nach. Beides hat eine hohe Bedeutung, da die Konkurrenz bei einer relevanten Nachricht, oder eben Vorricht, zum Referenzieren der Quelle verpflichtet ist.

Journalismus muss nach Qualität gemessen werden

Der Konkurrenz von wirtschaftlichen und journalistischen Interessen, die voneinander abhängig sind, kann durch verantwortungsvolles Handeln begegnet werden, erfordert aber von uns, den Rezipienten, ein Bewusstsein für Qualität. Diese lässt sich nie so präzise messen wie Klickzahlen, Auflagenstärke oder Einschaltquoten, die heutzutage recht gute Abbildungen des wirtschaftlichen Nutzens geworden sind. Auch dieser Fokus auf Quantität führt zu einem Verlust an Vielfalt durch die Projektion auf die singuläre Größe Geld. In diesem Konkurrenzsystem, das auch unseren Überschuss an Möglichkeiten ignoriert, kann es nur einen Gewinner geben. Doch lässt sich die Qualität zumindest abschätzen? Ein möglicher Ansatz ist hier die Verwendung von wichtigen Kriterien für Qualität im Journalismus, wie zum Beispiel die Größen Aktualität, Relevanz, Präsentationsform, Tiefgründigkeit, Quellen, Kosten etc. Ich habe hier bewusst die monetäre Variable mit aufgezählt, da sie aus unserer heutigen Zeit nicht wegzudenken ist. Um nicht der genauesten Größe die Entscheidung allein zu überlassen, ist es sinnvoll die unterschiedlichen Genauigkeiten zu berücksichtigen. Eine einfache Möglichkeit ist die Präzision aller Größen an die ungenaueste anzupassen. Dies bedeutet, dass, wenn ich Aktualität nur in den Gruppen Blitzmeldung, Eilmeldung, Meldung und nicht aktuell habe, ich die Kosten auch nur in vier Gruppen bewerten kann, wie zum Beispiel: teuer, durchschnittlich, günstig und kostenlos. Ich bin der Überzeugung, dass durch diese Form der Bewertung die Medien mehr Freiraum bekommen, um in Vielfalt verantwortungsvoll über Geschehnisse zu berichten.

SELBST FÜR QUALITÄT AKTIV SEIN. Es gibt viele kleine Dinge, die jeder selbst tun kann, um qualitativen Journalismus zu unterstützen. Dazu gehört bei mir eine wachsende Bereitschaft, für Inhalte im Netz direkt zu bezahlen und nicht indirekt durch die Werbung zu vergüten oder gar Monopole kostenlos mit selbst erstellten Inhalten zu unterstützen. Mir ist unklar, warum Politiker die Vorzüge von einer eigenen Facebook-Seite nutzen und gleichzeitig über den unverantwortlichen Umgang klagen. Ist ein Bergführer nicht verpflichtet, Wege zu beschreiten, denen jeder seiner Seilschaft sicher folgen kann? Das Lesen dieser Zeilen, darüber nachzudenken und mit einem etwas anderen Blick Medien in Zukunft zu nutzen, mag auch eine Form sein.

One comment

  1. Die Debatte um „fake-news“ und die Diagnose einer „postfaktischen“ Mediengesellschaft sind mittlerweile ja schon zum Modethemen geworden. Dabei fehlt eine Auseinandersetzung mit den technischen und ökonomischen Ursachen und den gesellschaftlichen Bedingungen dieser Enwicklungen meist gänzlich. Oder sie wird von eben jenen Leitmedien zielsicher ins nächste Flachwasser gesteuert, das die eigene Verantwortung am postfaktischen Meinungssumpf als Vergehen des Publikums zu interpretieren weiß.
    Baumgarts zurückhaltenden, fast vorsichtigen Ausführungen sind da schon zwei Schritte weiter. Zum Einen, weil sie in Argument und Sprache distanziert bleiben und sich weder auf die Seite der Medienschelte („Lügenpresse“) noch auf die Seite der mittlerweile ebenso verbreiteten Beschimpfung des angeblich leichtgläubigen, vermeintlich radikalisierten und emotionalisierten Publikums schlagen.
    Zum Anderen liefert der Beitrag von Baumgart einige Ansätze, die in den üblichen Klagen über die Ansammlung von Meinungsunrat in den (nur angeblich) „sozialen“ Medien meist völlig fehlen: Wenn sogenannte Qualitätsmedien und das „über so viel Hass schockierte“ politische Establishment zur Klage über „fake-news“ und „postfaktische“ Meinungsmache anstimmen, so tun sie das mit ebenso inhaltsleeren auf 140 Zeichen eingedamften „tweets“ oder ein paar Zeilen politisch korrekt entrüsteter „Facebook posts“.
    Hier könnte man noch weiter gehen als es der Beitrag tut: Denn statt vorsichtig für bezahlte Inhalte im Netz zu werben, wäre zunächst das überkommene Geschäftsmodell der etablierten und sich erhaben wähnenden Medienhäuser zu hinterfragen und ihre ideologische und historische Genese in den Blick zu nehmen. Das hilflose und untätige lavieren von Politik und Medien gegenüber der imperialen (und US-hegemonialen) Monopolisierung der Werbeeinnahmen durch Google, Facebook und Co. würde dann vielleicht ebenso besser verständlich, wie die Wut und der Hass, der sich bei der Bevölkerung als digitale Tirade Bahn bricht.
    Wieso sollten wir noch gewillt sein eine vertikale, hierarchische Verkündung des „politisch korrekt zu Meinenden“ ausgerechnet von jenen Leitmedien akzeptieren, die ihre einzig bedeutsame Existenzberechtigung – die kritische Beobachtung der politisch und ökonomisch Mächtigen – fast gänzlich vernachlässigt haben?! Wieso sollten wir – also das zum „Konsumenten“ degradierte Publikum noch applaudieren, wenn vor unseren Augen eine Versippung ökonomischer und politischer Eliten zelebriert wird, die längst feudale Züge annimmt? Wie eine Hofberichterstattung gutheissen, die auf Posten und Pöstchen als Pressesprecher schielt? Und sind es nicht die etablierten Medienhäuser, die im Stile (meist rein männlicher) Jagdgesellschaften mit gezielten Schmutzkampagnen gegen Fremdköper im politischen Funktionskader unserer marktkonformen Demokratie zu Felde ziehen? Sind es nicht gerade Springer, Spiegel und Co., die mit großen Lettern prä-faktische Ressentiments propagierern?
    Der gesellschaftliche Bruch, der sich hier abzeichnet ist nicht allein auf die Symptome reduzierbar, die in den nur vermeintlich „sozialen“ Medien zu Tage treten. Nicht an der Oberfläche der Form, noch gar an den entzündlichen Inhalten der herauseiternden Wut allein ist schon ersichtlich, dass der ideologische Kitt, der den Zusammenhalt der bürgerlichen Gesellschaft seit den Kulturbrüchen der ersten Hälfte des 20.Jhds besorgt hat, brüchig geworden ist.
    In Form einer Vermutung, die es erst noch thesenartig zu elaborieren gilt, scheint es mir jedenfalls, als sei der Bruch unheilbar und damit im eigentlichen Sinn revolutionär. Denn gerade weil sich die verschiedenen funktionalen Eliten der bürgerlichen Gesellschaft – und dazu gehören neben den politischen und ökonomischen auch die medialen Eliten, affirmativ zu einem System vereinigt haben, sind ihre Vertreter nicht mehr in der Lage die Ideologien, die zum Erhalt ihrer Macht notwendig sind zu reflektieren. Die Protagonisten des Systems der „marktkonformen Demokratie“ haben begonnen, die zum Erhalt der herrschaftlichen Vertikale propagierten Märchen selbst zu glauben und müssen nun mit Unverständnis dabei zusehen, wie Ihnen die Kontrolle über das, was wir öffentlich zu meinen haben, was wir sagen durften und was nicht, zu entgleiten droht.
    Wer hinter dieser Vermutung aber revolutionären Optimismus wittert, irrt. Denn der Kontrollverlust der Eliten öffnet beide Türen, jene zur Aufklärung und jene zur Barbarei. Und auch wenn die aufklärerische Überwindung der bürgerlichen Gesellschaft nun möglicher erscheint als je zuvor, so ist sie nicht wahrscheinlicher geworden. Wahrscheinlicher geworden ist hingegen, dass sich der tiefe Staat – jenes schattenwüchsige Gestrüpp, dass schon den langen Übergang vom Feudalismus zum demokratischen Verfassungsstaat überdauert hat – der Situation auf alt bewährte Weise annimmt und durch gekonnte Feindbildproduktionen und Überraschungsfeuerwerke die gesellschaftliche Entwicklung in historische Widerholgungsschleifen zwingt. Neben der anarchischen Pöbelei entfesselter Wutbürger, die von ihren digitalen Stammtischen auf die Straße drängen, steht also die Wiederholung der gelenkten Barbarei des großen Krieges schon im Vorraum des Möglichen. Und eh man sich versieht werden sie wieder alle in Reih und Glied marschieren – die Journallie und der Wutbürger – denn Marschieren ersetzt Denken und denken hieße den Schmerz der Enttäuschung zu ertragen.

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